Bis über den Tod hinaus - Enterbt mit Kontaktabbruch


Jetzt wird es schwierig, denn es ist ein sehr persönliches Thema, über das ich hier schreibe. Es geht darum, dass mein Vater meinen Bruder und mich enterbt hat. Zu seiner zweiten Frau, die auch meinen Nachnamen trägt, ist jeglicher Kontakt abgebrochen.
Es sind schon seltsame Wege, die das Leben manchmal beschreitet. Im September des Jahres 2014 ist mein Vater plötzlich und unerwartet mit gerade einmal 73 Jahren verstorben. Noch immer kann ich mich nicht ganz mit seinem plötzlichen Tod abfinden. Insbesondere deshalb nicht, weil viele Fragen unbeantwortet bleiben werden, die ausschließlich er selbst ehrlich beantworten könnte und würde. Beruhigend ist im Nachhinein für mich, das mein Vater ein rationaler Mensch war und wir auch über das Thema Tod zu seinen Lebzeiten gesprochen hatten. Mein Vater sagte immer "Das Sterben gehört zum Leben dazu, schlimm ist es immer nur für jene, die zurück bleiben." Dennoch werde ich mich nicht mit dem versöhnen können, was nach seinem unerwarteten Tod alles verkehrt gelaufen ist.




Man denkt, man kennt sich nach 30 Jahren - Pustekuchen

Nein, meinen Vater habe ich länger als 30 Jahre gekannt, die Rede ist hier von seiner zweiten Frau. Mein Vater war in zweiter Ehe mit einer 14 Jahre jüngeren Frau verheiratet. Beruflich, charakterlich und privat ein prima Team - zumindest hatte es nach Außen hin immer diesen Anschein erweckt. Ich muss dazu sagen, dass die zweite Frau meines Vaters gebürtig aus Bayern kommt. Das muss ich deshalb erwähnen, um zu verdeutlichen, das die Beiden auch wenn es um den jeweiligen Beruf des anderen ging immer Umzugsbereit gewesen sind. Mal lebte mein Vater samt zweiter Ehegattin ganz in meiner Nähe, später dann in Bayern und zum Schluss in der Pfalz. Ich hatte zu jeder Zeit das Gefühl sowohl meinem Vater vertrauen zu können, als auch seiner zweiten Frau. Es gab zu keinem Zeitpunkt ernsthafte Streitigkeiten zwischen uns. Meinungsverschiedenheiten und leidenschaftliche Diskussionen gab es immer wieder mal, nein, nicht vornehmlich zu privaten Dingen sondern eher ganz allgemeiner Natur wie z. B. über Politik, Musikgeschmack, Lebenseinstellung etc. waren da eher die Hauptthemen.


Ich habe die Beiden so oft es ging besucht, in Hessen, in Bayern und in Rheinland-Pfalz. Familienfeste wie den 70. Geburtstag haben wir gemeinsam in Bayern gefeiert. Hochzeit der Beiden und der 60. Geburtstag meines Vaters war in Hessen. Bei allen Familienfeierlichkeiten waren wir (mein Bruder, meine Frau und ich) dabei und immer habe ich das Gefühl gehabt, wir verstünden uns alle gut miteinander.

Rückblickend muss ich allerdings enttäuscht feststellen, dass vieles des Erlebten und Gefühlten wohl nichts war, außer einer heilen Fassade. Diese Fassade war aber ganz offenbar so perfekt und wohl durchdacht, dass sie von unserer Seite keinem aufgefallen war. Weder meine Frau, mein Bruder noch ich hatten jemals das Gefühl, man würde uns Theater vorspielen - in Wahrheit war es aber wahrscheinlich echtes Bayerisches Bauerntheater auf höchstem Niveau. Selbst meine Oma, die Mutter meines Vaters, die später in betagtem Alter sogar noch mit nach Bayern umgezogen war, hatte nie etwas davon mitbekommen. Kurz nach der Beisetzung meines Vaters in einem Friedwald in der Oberpfalz ist der Kontakt komplett abgerissen. Das ist nun fast 3 Jahre her.

Das einzige was ich daraus schließen kann ist die Tatsache, dass man sich selbst nach 30 Jahren nicht vertrauen kann und sich nicht so gut kennt, wie man das jederzeit empfunden hat. Offenbar besteht überhaupt kein Interesse mehr daran, den Kontakt zu den leiblichen Nachfahren, meinem Bruder und mir, weiterhin aufrecht zu erhalten.

Abgeklärt und kaltschnäuzig

Was mich am allermeisten geärgert hat, war das abgeklärte und kaltschnäuzige Verhalten der Gattin meines verstorbenen Vaters. Noch bevor mein Vater eingeäschert und beigesetzt war, fing Sie doch tatsächlich damit an, bei eBay ganz persönliche Dinge meines Vaters zu verschachern. Warum verschachern? Na, Sie verkaufte dort neben Kleidungsstücken meines Vaters (wofür ich ja eventuell noch Verständnis gehabt hätte) auch viele andere Dinge von Ihm, wie z. B. einen Wanderrucksack (auf dessen eBay Foto mein Vater selbst den Rucksack noch präsentierte), Original verpacktes Fahrradzubehör welches mein Vater gekauft hatte, bis hin zu seinem Werkstatt-Radio. Zur Sicherheit habe ich von all dem Screenshots gemacht und das oben genannte stellt nur einen geringen Bruchteil dessen dar, was da "über den Tisch" ging - gerade so, als könne es Ihr nicht schnell genug gehen.

Mein Bruder und Ich, als die Söhne meines Vaters, wurden zu keinem Zeitpunkt gefragt, ob wir eventuell eine persönliche Erinnerung an unseren Vater haben möchten. Als Zeichen der Menschlichkeit, hätte mir z. B. schon ein Taschenmesser, das er gerne verwendete, als Erinnerungsstück ausgereicht. Nichts, noch nicht einmal die Frage danach. Wie sollte man so ein Verhalten anders bezeichnen können als abgeklärt und kaltschnäuzig.

Zaungäste der Trauerfeier unseres Vaters

Mein Bruder und ich waren lediglich geladene Zaungäste der Trauerfeier unseres Vaters. Es ist gut, wenn man sich mit einer vertrauten Person vor dem eigenen Ableben Gedanken zur Durchführung der Trauerzeremonie macht, noch besser ist es dann allerdings auch, wenn dies vom länger Lebenden genau so eingehalten wird. Die Trauerfeier meines Vaters hätte Ihm nicht in allen Punkten so gefallen. Sowohl mein Bruder als auch ich hatten unabhängig voneinander das Gefühl lediglich geduldete Zaungäste der Trauerzeremonie unseres Vaters gewesen zu sein. Nichts, aber auch rein gar Nichts wurde im Vorfeld der Beisetzungsfeierlichkeiten mit uns abgesprochen. Wir wurden kein bisschen in die Gestaltung mit einbezogen oder z. B. gefragt, ob wir vielleicht auch eine Rede halten möchten, ein gemeinsames Papierfoto mit in die Urne legen wollen oder vielleicht die Urne gemeinsam mit zur letzten Ruhestätte tragen wollen.

Selbst ein letztes Ansehen unseres Vaters im Sarg wurde uns verwährt. Diese Frage hatte der Bestatter der Frau meines Vaters gestellt und Sie hat ohne uns vorher zu fragen verneint. Abgesehen davon, dass ich meinen Vater nicht hätte im Sarg liegen sehen wollen, weil ich Ihn gerne so, wie zu Lebzeiten in Erinnerung behalten möchte, wäre es mehr als nur anständig gewesen, diese Frage an uns Kinder zu stellen. Die eigenmächtige Verneinung zeugt von wenig Nähe, Menschlichkeit, Verständnis und ist einfach nur geschmack- und stillos gewesen.

Die Trauerfeier unter freiem Himmel nahm dann den von Ihr geplanten Lauf. Der Beerdigungsredner (Beide waren aus der Kirche ausgetreten, deshalb kein Pfarrer) war eine ungepflegte Erscheinung mittleren Alters im Schmuddelanzug der viel Mist und Müll und viel von materiellen Dingen wie dem Auto meines Vaters erzählt hat, das Ihm besonders wichtig gewesen sei. Diese ganzen Wortfetzen hätte jeder Schüler besser formulieren können, aber wahrscheinlich hat der Grabredner nicht viel gekostet - sein Geld wert, unabhängig davon was er tatsächlich gekostet hat, war er jedenfalls nicht. Zu allem Überfluss hatte er dann auch noch die CD mit dem Wunschtitel für die Beisetzung vergessen. Das muss man sich einmal zu Gemüte führen! Letztlich konnte die Situation gut gerettet werden, indem musikalisch engagierte Verwandtschaft der Frau meines verstorbenen Vaters eingesprungen ist und den Titel a capella am Grab gesungen hatte.

Nach der Beisetzung ging es dann in das gebuchte Dorfgemeinschaftshaus. Dort gab es Kaffee und Kuchen als auch belegte Brötchen und Kaltgetränke. Auf meinen schriftlichen Dank für die gute Organisation der Trauerfeier wurde lediglich entgegnet "Das habe ich nicht für Euch getan, sondern für meinen geliebten Mann.".

Die Krönung des Ganzen haben dann mein Bruder und ich erlebt als wir das Grab nach ca. einem Jahr besuchten. In einem Friedwald dürfen nur ganz einfache Schildchen an den Baumstämmen angebracht werden. Da hing tatsächlich ein Schild mit der Aufschrift "In Liebe Deine xxxxxxx (den Namen schreibe ich hier nicht)" - kein Funke oder Zusatz wie zum Beispiel "...und Deinen Söhnen". Nein, wir wurden weder informiert noch gefragt. 

Berliner Testament mal anders - schon vor Jahren enterbt

Die Zusendung des gemeinschaftlichen Testaments dauerte ziemlich lange. Zu Lebzeiten hat mein Vater, wenn mein Bruder und ich gemeinsam zu Besuch waren, immer mal wieder gesagt "Ihr werdet beide das Gleiche erben, wenn ich sterbe!". Und er sollte Recht behalten, mein Bruder und ich haben in der Tat beide das Gleiche geerbt - nämlich Nichts. Die Frau meines Vaters ist laut Testament nicht als Vorerbin sondern als Vollerbin eingesetzt, mit dem Zusatz, dass Sie frei verfügen kann, welchen Dritten Sie dann, auch ohne das mein Vater noch leben würde, als Schlusserben einsetzt. Dieses Testament wurde schon zu Zeiten, als Beide noch in Bayern lebten genau so bei einem Notar verhandelt und beim Nachlassgericht hinterlegt.

Als Kind fragst Du Dich da schon, was Du denn falsch gemacht haben könntest oder was in der Beziehung zu Deinem Elternteil nicht richtig gelaufen sein könnte, hattest Du doch immer das gute Gefühl der Geborgenheit und des Verstandenwerdens.

Jetzt werden juristisch versierte Leser einwenden wollen "Aber als leibliche Söhne habt Ihr doch einen Pflichtteilsanspruch!". Ja, das ist richtig. Allerdings ging es in einem Gespräch, anlässlich eines Besuches bei meinem Vater und dessen Frau um dieses Thema. Ich bot an, schriftlich zu fixieren, dass ich im Falle des Todes meines Vaters keinerlei Ansprüche anmelden werde. Das wurde von der Frau meines verstorbenen Vaters dann vehement zurückgewiesen. Sie sagte sinngemäß "Du wirst schon sehen, dass Du dann ankommen und Deinen Pflichtteil verlangen wirst!", was ich erneut verneinte. Dabei hatten wir es dann seinerzeit auch bewenden lassen.

Auf juristische Schachzüge kann ich verzichten. In diesem Jahr läuft die Frist ab, in der mein Bruder und ich einen Pflichtteilsanspruch anmelden könnten. Ich werde darauf verzichten denn es würde bei der Dreistigkeit und der finanziellen Raffinesse der Frau meines verstorbenen Vaters darauf hinauslaufen, das "außer Spesen nichts gewesen" wäre. Zudem steht Jeder irgendwann im Leben einmal da, und muß solche Dinge mit seinem guten Gewissen ausmachen und sich vielleicht einem höheren Wesen, wie einem lieben Herrgott, erklären.

Unerklärliche Funkstille

Hätte ich schwarzen Humor, dann hätte die Überschrift gelautet "Unerklärliche Grabesstille". Die Funkstille der Witwe meines Vaters ist mir unerklärlich, aber mittlerweile auch egal. Ich gehe davon aus, dass Sie keinen Kontakt mehr zu meinem Bruder oder mir haben möchte - aus welchen Gründen auch immer - und mittlerweile haben auch wir das Interesse an einem Kontakt vollkommen verloren. Sehr wahrscheinlich hat Sie aber auch schon wieder einen neuen Partner. Genau wie bei den eBay-Verkäufen der Gegenstände aus dem Besitz meines Vaters, ganz kurz nach dessen Tod, geht es Ihr wohl auch in diesen Dingen wahrscheinlich nicht schnell genug.

Schade das so enden muß, was eigentlich so respektvoll, harmonisch und vertrauensvoll begann und über Jahrzehnte hinweg Bestand hatte. Ich hatte mir das immer anders vorgestellt, wenn ein Elternteil in der Familie verstirbt. Ich war der irrigen Annahme, dass man sich zusammen setzt, gemeinsam trauert, redet oder auch gemeinsam schweigt. Alles tut, um den schmerzlichen Verlust zu verarbeiten. Es tut noch immer so verdammt weh!

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